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Waren zuvor virusfrei: Corona-Primus Neuseeland meldet neue Fälle – und zeigt uns, wie die Zukunft aussieht
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(200812) -- AUCKLAND, Aug. 12, 2020 (Xinhua) -- A man wearing a face mask is seen in downtown Auckland, New Zealand, Aug
imago images/Xinhua Ein Mann im Zentrum Aucklands trägt eine Atemschutzmaske
  • FOCUS-online-Redakteur
Freitag, 14.08.2020, 10:42

Erstmals seit 102 Tagen gibt es in Neuseeland wieder lokale Corona-Infektionen, trotz strenger Einreisebestimmungen. Für die Stadt Auckland gilt ein dreitägiger Lockdown. Das Virus auszusperren, funktioniert nur bedingt. Lokale Lockdowns lassen sich wohl nicht verhindern. Die Entwicklungen könnten auch für Deutschland wegweisend sein.

Empathie ist eine der großen Stärken Jacinda Arderns. Viele Neuseeländer schätzen die Eigenschaft ihrer Premierministerin, zur rechten Zeit die Stimmung im Land in die richtigen Worte zu gießen. Als der Inselstaat im März des vergangenen Jahres durch das Attentat eines rechtsradikalen Terroristen auf eine Moschee bis ins Mark getroffen wurde, da war es die Stimme der Regierungschefin, die den Schmerz der Nation linderte.

„Lasst uns die Nation sein, für die wir uns halten”, rief Ardern ihren Landsleuten zu; drei Monate später verabschiedete ihre Regierung mit breiter Unterstützung der Bevölkerung ein Gesetz zum Verbot von halbautomatischen Waffen.

Ein Jahr später waren Spürgefühl und Entschlossenheit erneut gefragt, als Neuseeland am 28. Februar seinen ersten Corona-Fall registrierte. Binnen weniger Wochen wurde das Land schockgefroren, ein sehr strikter Lockdown sorgte gemeinsam mit der geografischen Lage als Insel dafür, dass die Fallzahlen niedrig blieben und Neuseeland international als Corona-Primus wahrgenommen wurde.

(200413) -- WELLINGTON, April 13, 2020 -- New Zealand Prime Minister Jacinda Ardern (L) and Director-General of Health
imago images/Xinhua Neuseelands Premieminsterin Jacinda Ardern (L) und Gesundheitsminister Ashley Bloomfield erklären ihre Maßnahmen

Die Premierministerin wurde dabei nicht müde, in täglichen TV-Auftritten die Bürger gebetsmühlenartig auf die Notwendigkeit der harten Einschränkungen einzuschwören. Bereits Ende Mai drückte das Land so die Zahl der Neuinfektionen auf Null und galt seitdem als virusfrei. Das Leben kehrte zur Normalität zurück – selbst die populären Rugbyspiele konnten vor vollen Rängen ausgetragen werden, keine Spur mehr von Social Distancing.

Das Virus wird ausgesperrt und kommt doch zurück

Die Strategie der Regierung konzentrierte sich dabei voll und ganz darauf, das Virus auszusperren. Ins Land kamen nur noch neuseeländische Staatsbürger, die nach ihrer Ankunft in eines der 18 Quarantäne-Hotels auf der Insel gebracht wurden. Und dennoch ist Corona nun nach 102 Tagen offiziell zurück im Pazifikstaat. Zu Wochenbeginn wurden vier Mitglieder einer Familie in der Millionenmetropole Auckland positiv auf Covid-19 getestet, 13 weitere kamen bisher hinzu.

Für Oliver Hartwich, ein Deutscher, der in Neuseeland das Forschungsinstitut für Wirtschaft "The New Zealand" leitet, kam diese Nachricht wenig überraschend. „Schon während der vergangenen Monate ist es immer wieder zu Verstößen gegen die Quarantäne-Auflagen gekommen“, berichtet er am Telefon gegenüber FOCUS Online.

Lesen Sie auch: Strikter Lockdown - Neuseeland drückt Corona-Neuinfektionen auf 0, doch der Preis dafür ist hoch

Des Öfteren sei es vorgekommen, dass Einreisende die Quarantäne-Hotels unerlaubt verlassen hätten. Für Aufregung im Land sorgte zudem der Fall zweier Frauen Mitte Juni, die ohne Test aus der Quarantäne in Auckland entlassen wurden, um von dort zu einer Beerdigung im 650 Kilometer entfernten Wellington zu fahren. Dort wurden beide schließlich positiv auf das Virus getestet. „Es war einfach nur Glück, dass es damals nicht schon zu einem Ausbruch kam“, meint Hartwich.

Dass das Quarantänenetz nicht perfekt ist, zeigt auch ein Bericht des neuseeländischen Nachrichtenportals „Newshub“. Demnach wurden bis letzte Woche fast zwei Drittel der knapp 3.000 Quarantäne-Angestellten in Hotels und an den Grenzen nicht auf das Coronavirus getestet. Auch Neuseelands Vizepremier Winston Peters vermutet hinter dem neuen landesinternen Ausbruch eine Schwachstelle im Quarantänesystem.

1,7 Millionen Menschen müssen zurück in den Lockdown

Dem exzellenten Ruf der Regierung hat das alles bisher kaum geschadet, die Kiwis stehen weiterhin hinter ihrer Premierministerin und deren Corona-Politik, die wie schon zu Beginn der Pandemie nun drastisch ausfällt.

Die gesamten 1,7 Millionen Einwohner Aucklands wurden für drei Tage in den Lockdown beordert. Militär und Polizei kontrollieren die Ein- und Ausreise aus der Stadt. Nur wer einen Wohnsitz innerhalb der Stadtgrenze vorweisen kann, darf rein; raus nur noch Menschen, die durch den Ausnahmezustand überrascht und von ihrem Zuhause abgeschnitten wurden, berichtet Hartwich.

Coronavirus - Neuseeland
dpa Autos stehen Schlange vor einem Coronavirus-Testzentrum. Die Gesundheitsbeh?rden in Neuseeland bemühen sich, die Quelle eines neuen Ausbruchs des Coronavirus ausfindig zu machen

Zudem wird das öffentliche Leben wieder heruntergefahren. Bis auf Supermärkte bleiben alle Geschäfte geschlossen, die Bürger sind dazu aufgefordert zu Hause zu bleiben. Gleichzeitig wurde ein umfangreiches Testprogramm ausgerollt, bis zum Ende der Woche sollen in Auckland 50.000 Menschen auf das Virus getestet werden.

Doch auch hier hapert es noch an der Umsetzung, berichtet Hartwich: „Teilweise haben die Menschen vor Ort zehn bis zwölf Stunden auf ihren Test gewartet“, beschreibt er die Situation. Ob der erneute Lockdown zum Dauerzustand für die größte Stadt des Landes wird, möchte die Regierung kommenden Freitag bekanntgeben.

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Auckland und Melbourne - ein Blick in die Zukunft?

Neben der australischen Stadt Melbourne ist Auckland somit die zweite Metropole in Down Under, die in den letzten Tagen nahezu vollständig abgeriegelt wurde. Die Entscheidungen liefern aus europäischer Perspektive womöglich einen Blick in die Zukunft, wie sich das Infektionsgeschehen bei einem lokalen Ausbruch bekämpfen lässt.

Gerade am Beispiel Neuseeland zeigt sich, wie schnell und entschlossen politische Entscheidungen bei einem plötzlich auftretenden Infektionsgeschehen auch für große Metropolen umgesetzt werden können. Der Wechsel vom Normal- in den Alarmzustand scheint hier zu funktionieren.

Die virusfreien Monate verdeutlichen zudem, dass eine gezielte und engmaschige Testung von Reiserückkehrern, trotz Lücken im Quarantänesystem, essenziell zur Eindämmung der Infektionen ist. Gerade in Deutschland funktioniert dabei noch nicht alles reibungslos. Mitunter gibt es Probleme bei der zügigen Auswertung der Testergebnisse von Reisenden, wie sich an der aktuellen Panne in Bayern zeigt. Hier warten 44.000 Menschen bereits seit längerem auf ihren Befund. Darunter sollen sich auch 900 Corona-Infizierte befinden.

Dass bei derart tiefgreifenden Entscheidungen wie einem erneuten Lockdown für Verständnis geworben werden muss, weiß auch Premierministerin Ardern. Über Facebook sprach sie die Nation „als Team von fünf Millionen“ im Kampf gegen das Virus an und zeigte sich optimistisch, „Corona auch dieses Mal zu besiegen“. Empathie, die auch deutsche Politiker womöglich in naher Zukunft öfter zeigen müssen.

 

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